Digitalisierung als Chance.

EOS geht seit Jahren den Weg der digitalen Transformation. In dem Artikel beschreibt Jürgen Borgartz, Geschäftsführer von EOS Deutschland, die Mehrwerte und Chancen für Unternehmen, die dabei entstehen.

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  • Die Digitalisierung von Inkassoprozessen führt zu einer Win-win-win-Situation für alle Beteiligten, sowohl für säumige Kund*innen, Mandanten als auch Inkassodienstleister.
  • Die digitale Transformation beginnt bei den Mitarbeitenden und setzt deren Bereitschaft voraus, diesen Weg zu gehen.

Der Titel „Digitalisierung als Chance“ scheint im ersten Moment genauso trivial wie allumfassend. Für den modernen Menschen ist die Digitalisierung heute keine große Herausforderung mehr. Vielmehr ist sie Mittel zum Zweck, bietet Unterstützung und Hilfe im Alltag und macht das Leben an vielen Stellen bequemer. Digitalisierung wird immer mehr zur Erwartungshaltung an Konzerne, Behörden und Dienstleister. Mein Mobiltelefon ist nicht nur mein Telefon, sondern mein Leben: Ich kommuniziere über alle Kanäle mit dem Smartphone, organisiere meinen Alltag und mein persönliches Umfeld damit, manage meine Finanzen und Versicherungen, nutze es als Zugang zu Wissen und ganz nebenbei zur eigenen Unterhaltung, was insgesamt die meiste Zeit verschluckt. 

Digitalisierung bedeutet in erster Linie „Mehrwert schaffen“.

Doch was bedeutet Digitalisierung im Allgemeinen und speziell für den NPL-Markt beziehungsweise für unsere Branche? Zum generellen Verständnis und auf die alte Welt bezogen bedeutet Digitalisierung nicht die Übernahme durch Technik. Es ist aber sehr wohl das Zusammenwachsen und Entwickeln von fachlichen und technischen Inhalten, die zum Mehrwert des Geschäftszwecks und somit des Unternehmens beitragen. Für mich bedeutet Digitalisierung also vereinfacht gesagt: Mehrwert schaffen. Im Bereich der NPL-Bearbeitung führt Digitalisierung nicht nur zur Kostenreduktion, zur Vermeidung von Flüchtigkeitsfehlern durch langweilige, sich wiederholende Tätigkeiten in der Forderungsbearbeitung und zur Erweiterung der Touchpoints zu säumigen Kund*innen. Die Erfahrung zeigt, es ist mehr.

Beginnen möchte ich mit meinem Verständnis der Digitalisierung im Kontext der Inkassotätigkeit. Inkasso zu digitalisieren bedeutet, nachhaltig jegliche sinnvolle technische Entwicklung im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten aus der Inkassosicht einzusetzen – zum Nutzen der säumigen Kund*innen, der Mandanten und des Inkassodienstleisters. Dadurch entsteht eine Win-win-win-Situation für alle Beteiligten, die zur Reduzierung von Kosten und Fehlern, zur Beschleunigung von Prozessen und zur Steigerung der Convenience führt, um in Summe eine optimal mögliche Tilgung der Gesamtschuld zu erreichen.

Der Abbau von Legacy ist die Voraussetzung für eine zügige Weiterentwicklung.

Das wiederum bedeutet mehr als nur eine Chance aus Kostensicht. Digitalisierung ist vielmehr ein Weg und dieser beginnt für mich mit dem Abbau von Legacy. Die Beschreibung dazu liefert mein Kollege Tim Weickert, Managing Director der EOS Technology Solutions GmbH: „Es geht darum, die technischen Voraussetzungen für eine zügige Weiterentwicklung zu schaffen. Legacy – oder technische Schulden – finden sich bereits bei der ersten Nutzung eines neuen Systems. Über die Zeit steigen die technischen Schulden linear an, die Weiterentwicklungsgeschwindigkeit sinkt jedoch exponentiell zu den technischen Schulden. Am Anfang fällt das gar nicht auf, in der Folge jedoch ist die Weiterentwicklung irgendwann bei annähernd null, weil man nur noch um die technischen Schulden herum entwickelt. Daher ist es wichtig, von Anfang an und regelmäßig Zeit für die Beseitigung von Legacy zu ermöglichen und einzufordern.”

Darüber hinaus gibt es aber nicht nur auf Technik bezogene Legacy. Auch wir Menschen sind zum Teil Legacy, hier im Kontext von Erbschaft, insbesondere wenn es um das Thema Digitalisierung geht. Digitalisierung berührt alles bisher Gelernte und fordert uns Menschen, aus unseren bewährten Verhaltensmustern auszubrechen. Sobald wir das verstanden haben, ist die Digitalisierung für uns eine Chance. Verweigern sich die Mitarbeitenden, die Veränderungen anzunehmen, wird die Digitalisierung nicht an der Technik, sondern letztlich am Menschen scheitern.
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Mitarbeitende sind die Treiber der digitalen Transformation.

In der Realität bedeutet dieser Weg Arbeit, allen voran gegen die eigene Angst. Außerdem muss eine grundsätzliche Bereitschaft vorhanden sein, sich für Neues zu begeistern, darin Chancen zu sehen und gleichzeitig von bisher durchaus erfolgreichen Herangehensweisen abzuweichen. Ich behaupte von mir, dass ich mittlerweile 30 Jahre erfolgreich in der Branche als Leader und Manager tätig und dadurch historisch stark durch ein Selbstverständnis von Command and Control im Managementstil geprägt bin. Offen und selbstkritisch darf ich feststellen, dass Unternehmen mit dieser Herangehensweise heute weder motivierte Mitarbeitende gewinnen oder halten, noch Innovationen in eingefahrene Strukturen bringen.

Sobald man dies erkannt hat, kann mit der Umsetzung begonnen werden – sowohl bei einem selbst als auch bei den Kolleg*innen. Das ist nicht einfach und braucht Zeit. Dennoch bin ich davon überzeugt, dass sich diese Arbeit in allen Bereichen lohnt. Allerdings setzt das auch voraus, dass alle Mitarbeitenden die Chance der Digitalisierung hierarchie- und funktionsübergreifend konsequent verstehen und zudem die Bereitschaft haben, diesen Weg zu leben. Es fängt bei jede*r/m Einzelnen an und ohne eine grundsätzliche Veränderungsbereitschaft der Menschen wird die Digitalisierung scheitern. Diese Erkenntnis ist das Fundament für den eigentlichen Nutzen und somit die Chance der Digitalisierung. Erst mit der Aktualisierung von Technik und der Bereitschaft der Mitarbeitenden kann eine unternehmerische Veränderung hin zur Digitalisierung stattfinden, da erst dann eine Veränderung in der Unternehmenskultur stattfinden wird.

Ich bin kein Experte in Sachen Unternehmenskultur und verschone Sie mit Theorien, möchte aber dennoch aus der Praxis erzählen – genauer gesagt aus den vergangenen sechs Jahren, in denen das Unternehmen, in dem ich tätig bin, sowohl spannende und schöne als auch schmerzhafte Abschnitte durchlebt hat. Diese Zeit war wesentlich geprägt durch einen Kampf zwischen einer historisch gewachsenen Unternehmenskultur aus Command and Control und einer neuen Welt mit Arbeitsweisen, die zu Beginn nicht nur gegen jegliche Vernunft erschienen, sondern das erfahrene und hanseatische Kaufmannsherz in einen tiefen Konflikt brachten. So galt es von nun an, Kontrolle gegen Vertrauen und Kopfmonopole gegen organisiertes Wissensmanagement zu tauschen, Führungskräfte zu Coaches der Mitarbeitenden zu machen und die Teams so zu entwickeln, dass sie von Anweisungsempfänger*innen zu eigenverantwortlichen Unternehmer*innen werden, die mitdiskutieren, anpacken und Themen selbstständig vorantreiben. Entscheidungen wurden und werden fortan statt von oberflächlich allgemeinwissenden Managern in crossfunktionalen Teams getroffen, die sich für gemeinsame Entscheidungen gegenseitig mit Know-how bereichern. Mir ist durchaus bewusst, dass die Welt nicht nur schwarz-weiß ist, denn auch in der Vergangenheit gab es eigenverantwortlich Mitarbeitende und diese Welt hat ja durchaus auch funktioniert. Für mich gibt es aktuell noch viele Grauzonen, in denen die Mischung aus alter und neuer Welt den größten Mehrwert schafft.
Jürgen Borgartz zum Thema Digitalisierung als Chance
Letztendlich ist die neue Welt und das verstärkte Setzen auf Eigenverantwortung und unternehmerisches Denken in der Belegschaft aber die Basis für eine digitale Zukunft.
Jürgen Borgartz
Geschäftsführer der EOS Deutschland GmbH

Verantwortung ist der Antrieb für den eigenen Erfolg.

Um den Impact auf die Unternehmenskultur zu verstehen, hilft ein Exkurs in die Welt des agilen Arbeitens und der Einfluss auf crossfunktionale Zusammenarbeit, Strukturen und Hierarchien. Auch hier darf ich meine Botschaft mit der Erfahrung meines Kollegen Tim Weickert untermauern, der es wie folgt beschreibt: „Erfolgreiche Teams haben im agilen Kontext viele Gemeinsamkeiten. Zuallererst geht es um die Sicherheit, eine Meinung zu artikulieren und unabhängig von der Hierarchie eine Position beziehen und vertreten zu dürfen. In der Vergangenheit folgte man häufig der Meinung des „HiPPOs” (highest paid person‘s opinion) im Raum. Das führt nicht zu den besten Lösungen. Zudem geht es um das persönliche Gefühl von (beruflicher) Sicherheit in der Veränderung. Wer Veränderungen als Sicherheit wahrnimmt, der denkt in Chancen, nicht mehr in Problemen. Weiterhin geht es um die Verantwortung von Personen und/oder Teams. Wenn ein Team Verantwortung übernimmt, dann steht es dafür ein – sowohl im Scheitern als auch bei Erfolg. Erfolgreiche Teams nehmen Verantwortung an, sie ist der Antrieb für den eigenen Erfolg. Zu guter Letzt brauchen erfolgreiche Teams eine Richtung, in die es gehen soll. Es geht nicht mehr um umfangreiche Lasten- oder Pflichtenhefte mit der finalen Produktbeschreibung. Der Weg ist geprägt durch kleine Schritte, die sich am Kundennutzen orientieren. Das Endresultat wird der Vision ähnlichsehen, aber in dem iterativen Prozess wird ein erfolgreiches Team immer die beste Lösung für die Kund*innen implementieren, nie nur den Wunsch der Marketingabteilung oder des Managements.”

Soweit dieser Impact als Chance verstanden wird, gibt es zwei Konsequenzen für das Unternehmen, nämlich eine aktive und eine reaktive. Die aktive Konsequenz kann mit folgender Fragestellung eingeleitet werden: Welche Voraussetzungen kann und muss ich als Manager proaktiv schaffen, damit sich die Digitalisierung maximal entfalten kann? Diese Überlegung betrifft alle Unternehmensbereiche. Als Beispiel und sofort naheliegend ist die Frage der Struktur. Welche Aufbauorganisation passt zu einem digitalen Umfeld, wie es vorher beschrieben wurde? Wie ausgeprägt muss die Hierarchie (Organisationen denken gerne in Organigrammen) noch sein und welches Führungsverständnis benötigt diese Kultur? Welche Menschen brauche ich und welche habe ich? Wie kann ich sie aktiv in die neue Welt begleiten? Wie finde ich neue Mitarbeitende, die darauf einzahlen, und ist mein Recruiting-Prozess daran angepasst? Welche Infrastruktur benötigt so ein Arbeiten und welche Auswirkungen haben diese Arbeitsweisen auf meine konzernübliche Plankultur?

Die Erfahrung zeigt, dass sich vieles vordenken und vorbereiten lässt, aber es ist wichtig, sich auch der zweiten Konsequenz bewusst zu sein: Es muss sich entwickeln, ohne Vorgaben, was richtig und falsch ist, weniger „zu Ende gedachte“ Voraussetzungen und mehr Fokus auf das Verständnis und die Eigenverantwortung der Mitarbeitenden. Oder anders formuliert: Man muss sich einfach die Zeit nehmen, damit die Mehrheit der Betroffenen intrinsisch erkennt, welche Voraussetzungen notwendig sind beziehungsweise was ich als Einzelne*r beitragen kann, um das Unternehmen voranzutreiben.

Es ist ein schmaler Grat, auf dem die Unternehmensleitung gehen muss zwischen Loslassen und der Bereitstellung eines ausreichenden Rahmens, um die Wirtschaftlichkeit und Weiterentwicklung des Unternehmens sicherzustellen. In der Realität hat meine Erfahrung gezeigt, dass man weniger aktiv eingreifen muss, wenn gewisse Voraussetzungen vorhanden sind, man mutig und konsequent agiert und wenn es genug digitale Denker und Influencer im Unternehmen gibt. So gelingt es, die eigene Gestaltungsfreiheit der Mitarbeitenden zuzulassen. Als Manager kann man dann im besten Fall eher reaktiv begleiten und bei Bedarf koordinativ eingreifen. Allerdings entwickelt sich kein Unternehmen perfekt und daher erfordert es manchmal auch ein korrigierendes Eingreifen.

Digitalisierung gibt Raum für eigenes Denken und Innovationen.

Doch wozu führt das und was hat das mit „Digitalisierung als Chance“ zu tun? Dieser Weg führt zu Innovation und der kontinuierlichen Schaffung von Mehrwerten in allen Dimensionen eines Unternehmens. Einer der größten Mehrwerte von Digitalisierung ist die gewonnene Zeit und der Wegfall von eintönigen und wiederkehrenden Tätigkeiten und Prozessen. Es wird also Zeit für Sinnvolles geschaffen und das ist wiederum gleichbedeutend mit Spaß und anspruchsvollem Handeln, es gibt Raum für eigenes Denken und Innovationen. Außerdem bedeutet es für mich, dass bestimmte Rahmenbedingungen geschaffen werden, in denen die besten Freigeister arbeiten möchten und die größte Belohnung für sie der eigens geschaffene und sichtbare Mehrwert ist.

So komme ich zu meinem Fazit: Alles, was digitalisiert werden kann, wird irgendwann digitalisiert. Um nachhaltig erfolgreich zu sein, muss jedes Unternehmen seinen Blick dafür schärfen oder es wird in der Versenkung verschwinden. Digitalisierung ist mehr als eine Chance. Gelebt ist sie ein Motor für die Entwicklung der Mitarbeitenden, der Arbeitsweisen und somit der Unternehmenskultur. In dieser Konsequenz ist Digitalisierung nicht nur eine Chance, sondern zwingend notwendig für den Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit eines jeden Unternehmens. Dies gilt für alle Branchen und auch für den NPL-Sektor, denn durch Digitalisierung schaffen wir Mehrwerte: für säumige Kund*innen, Mandanten und für uns als Dienstleister.
Photo credits: EOS