Forderungsverkauf: Werte zählen mehr als Preise.

Hat ein Wettbewerber die Nase vorn, gibt es zwei Möglichkeiten, zu reagieren: mithalten um jeden Preis. Oder Ruhe bewahren und sich auf eigene Stärken besinnen. In Polen hat EOS gelernt, wie ratsam es sein kann, sich für Variante zwei zu entscheiden.

ZeitZeit
  • Bei Forderungskäufen in Polen hatte ein Mitbewerber EOS immer wieder übertrumpft.
  • Nach einer Weile stellte sich heraus: Bei den überhöhten Preisen ging mutmaßlich nicht alles mit rechten Dingen zu.

Wieder nichts. Wieder hatte ein Mitbewerber EOS überboten und den Zuschlag bekommen für ein Paket von non-performing loans (NPL). Das kommt vor. Egal, wie gut man arbeitet. Aber 2016 und 2017 passierte es immer wieder. „Irgendwann wussten wir schon, bevor wir ein Angebot abgaben: Das Portfolio gewinnen wir sowieso nicht“, erzählt Dariusz Petynka, Geschäftsführer von EOS in Polen. Und der Gewinner hieß meist: GetBack. Der Konkurrent bot schlichtweg deutlich höhere Preise. Was die Frage aufwarf, wie weit ein Unternehmen gehen soll, wenn es gewinnen will. Rechtfertigt das Streben nach Erfolg jeden Preis?

Forderungsverkauf in Polen: Dariusz Petynka, Geschäftsführer von EOS in Polen.

Forderungsverkauf: Wer eigenes Geld ausgibt, rechnet anders.

Der Reiz, diese Frage mit Ja zu beantworten, war groß. Gerade in Polen. „Hier entsteht gerade ein großer neuer Markt“, sagt Petynka. „Lange Zeit waren Forderungsverkäufe in Polen nicht üblich. Aber das ändert sich.“ Interessierte Käufer solcher Pakete sind Inkassounternehmen. Sie sichten die Ergebnisse aus bisherigen Verkäufen, berechnen die Wahrscheinlichkeit, ob, wann und wie viel eine Kundin oder ein Kunde zahlt. Der Gewinn liegt in der Differenz zwischen dem errechneten Ergebnis und dem Preis, den das Inkassounternehmen für das Paket zahlt.

Aber GetBack, so hieß es, lag im Schnitt immer 30 Prozent über den eigenen Geboten. Was tun? „Wir waren uns sicher, dass sie mit diesen Preisen früher oder später scheitern müssen“, sagt Petynka. Dennoch kam das EOS Team ins Grübeln. „Wir haben uns gefragt: Rechnen wir zu konservativ?“, sagt David Müller, der in der Hamburger EOS Zentrale das Osteuropa-Geschäft betreut. „Können wir unser operatives Geschäft verbessern? Sollten wir auf Margen verzichten?“ Am Schluss lautete die Antwort auf all diese Fragen: nein.

Rendite? Ja – aber nicht für jedes Risiko.

Stattdessen besann man sich auf das, was EOS von Konkurrenten unterscheidet. Das beginnt bei der Kapitalausstattung. Viele Wettbewerber sind Fondsgesellschaften, die Geld bei Anlegern einsammeln. „Aber wir gehören zur Otto Group, sind also letztlich ein familiengeführtes Unternehmen. Das ist ein Riesenunterschied“, sagt Müller.

Die internationale Struktur sorge dafür, dass man sich diese Ruhe leisten könne, sagt Petynka: „Wenn die Geschäfte in einem Land gerade nicht so gut laufen, laufen sie dafür in einem anderen Land besser.“ Auch bei der Auswahl der Pakete gehe man anders vor als mancher Mitbewerber. „Wir kaufen keine Forderungen, hinter denen Verträge stecken, die möglicherweise nicht auf seriösen Grundlagen beruhen“, sagt Müller.

Ein Grund dafür ist die Gefahr, dass die Forderung sich nicht monetarisieren lässt. Ein anderer die Ethik. „Wir sehen es ja als unseren Auftrag, säumigen Zahlerinnen und Zahlern zu helfen, ihre Schulden abzubauen“, sagt Müller. „Der Wert, der am Ende bei uns über allen anderen steht, ist die Reputation der Otto Group.“

Natürlich wollen auch wir Renditen erwirtschaften. Aber wir denken langfristiger und gehen nicht jedes Risiko ein. Schließlich ist es unser eigenes Geld, das wir ausgeben.
David Müller, Consultant Division Management Eastern Europe.
Forderungsverkauf: Symbolfoto mit Vertragsunterlagen und Bargeld.

Fokus auf Nischen und besicherte NPL.

In Polen folgte daraus ein klarer Kurs: Rückzug. Bei großen NPL-Paketen polnischer Banken bot EOS nicht mehr mit. Stattdessen konzentrierte sich das Unternehmen auf Nischen. Kleine Portfolios, die nicht von Banken stammten, sondern von Energieunternehmen oder auch einmal einer Brauerei. „Die waren so klein, dass sich viele große Mitbewerber gar nicht dafür interessierten“, sagt Müller. Und: EOS fokussierte sich zunehmend auf einen besonderen Typ von notleidenden Krediten – secured NPL, also besicherte Forderungen. „Die Umsätze in diesem Bereichen wachsen seitdem stabil“, sagt Petynka.

Dafür brach etwas anderes zusammen: das vermeintliche Erfolgsmodell des Wettbewerbers. Anfang 2018 wurden Vorwürfe laut, nach denen das Unternehmen Unterlagen manipuliert oder gefälscht haben soll. Mehrere Angestellte wurden verhaftet, inklusive eines Ex-Geschäftsführers. Die Folge: Nach der Pleite wollte zunächst kaum ein Investor mehr in Inkassofonds investieren oder Forderungspakete kaufen.

„Für EOS ist dadurch der Markt offen“, sagt Müller. „Wir sind wieder voll bei den unbesicherten Forderungen dabei.“ Den größten Anteil des Neugeschäfts aber machen inzwischen besicherte Forderungen aus. Eine Lehre aus dem GetBack-Erlebnis, sagt Müller. „Wir müssen immer ein offenes Auge für neue Möglichkeiten und Geschäftsbereiche haben.“

Denn klar ist: Was in Polen passierte, kann sich wiederholen. „Wir beobachten immer wieder, wie Unternehmen Millionenbeträge investieren, bei denen wir uns fragen, wie sie daraus jemals vernünftige Renditen erwirtschaften wollen.“ Klar ist deshalb ebenfalls, dass viele scheitern werden. Und es sich deshalb nicht immer lohnt, mithalten zu wollen. Nicht um jeden Preis.

Photo Credits: EOS / Dariusz Iwanski, Getty Images / Caiaimage / Agnieszka Olek, Getty Images / Kanchana Chitkhamma / EyeEm, Collection